ADB:Ludwig X.
Albrecht IV. 1506 die Untheilbarkeit und Primogenitur für die baierischen Lande festgesetzt hatte, übernahm nach des Herzogs [514] Tod (18. März 1508) der älteste Sohn, Wilhelm IV., die Alleinregierung. Sobald jedoch der jüngere Bruder L., der sich durch die Verfügung des Vaters auf eine Apanage und den Titel eines Grafen von Vohburg beschränkt sah, volljährig geworden war, erhob er Ansprüche auf Mitregierung und rief die Intervention Kaiser Maximilians an. Aus Furcht, es möchte, wie aus dem unseligen Landshuter Erbfolgestreit eine landverheerende Fehde aus dem Zwist der Brüder erwachsen, vermittelte die Landschaft den Vergleich vom 17. Febr. 1514, wonach beide fortan gemeinsam regieren sollten. Bald bereute aber der Aeltere, sich auf solche Minderung seiner Rechte eingelassen zu haben, und beide Theile rüsteten sich zum Waffengange. Kaiser Max leitete neue Unterhandlungen ein und fällte auf einem Tage zu Innsbruck (29. Septbr. 1514) den Schiedspruch, L. sollte neben dem herzoglichen Titel auch ein Viertel der baierischen Lande als freies Fürstenthum erhalten. Weil jedoch in beiden Brüdern die Einmischung Maximilians Argwohn erregt hatte, versöhnten sie sich und schlossen ohne Wissen des Kaisers und der Landschaft einen Vertrag, wonach die Herrschaft in der Weise getheilt wurde, daß Wilhelm mit dem Wohnsitz München über die Rentämter München und Burghausen, L. mit dem Wohnsitz Landshut über die Rentämter Landshut und Straubing regieren sollte. „Männiglich werde fortan“, so eröffneten sie der Landschaft, „bei ihnen zwei Leiber und ein Herz finden“. Auch gelobten sie sich für den Fall des Ablebens Kaiser Maximilians, mit gemeinsamen Kräften danach zu trachten, daß Alles, was sich die Habsburger an bairischen Territorien angeeignet hätten, zurückerlangt werde. Abgesehen von unwesentlichen Meinungsverschiedenheiten blieb wirklich die Eintracht der Brüder ungetrübt. Sie beriethen unter sich alle inneren und äußeren Regierungsangelegenheiten; aus der umfangreichen Correspondenz erhellt sogar, daß der jüngere Herzog bedeutenderen Einfluß auf die Regierung ausübte. Obwol geschmeidiger und gefälliger in seinen Sitten, war er doch praktischer und entschlossener als der Aeltere und war ein selbstthätiger Regent, während Wilhelm völlig abhängig von seinem Kanzler Eck. L. konnte das Mißtrauen gegen diesen gewandten, aber intriguanten Staatsmann, der „auf allen Achseln trug“ und überall seine Fäden anknüpfte, nie gänzlich ablegen; noch kurz vor seinem Tode klagte er über die „gefährlichen Praktiken“ und den allzu mächtigen Einfluß des Kanzlers. „Mein Bruder hält ob Ecken und will Niemand glauben, man sag’ ihm von dem Manne, was man wolle“. Auch in der religiösen Frage war L. anfänglich im Gegensatz zu Eck ein Freund der Bewegung. Die ersten Schriften Luther’s durften in Baiern fleißig nachgedruckt werden. Die Verbreitung des neuen Evangeliums wurde von Oben zwar nicht gerade begünstigt, aber auch nicht gehemmt, und insbesondere im Regierungsbezirk Ludwigs geschah so viel wie Nichts, um den römischen Bullen Gehorsam zu verschaffen. Diese Haltung stand im Zusammenhang mit der Opposition gegen die Habsburger. Nach dem Tode Maximilians dachten die Herzoge ernstlich daran, die deutsche Krone ihrem Hause zuzuwenden, allein die Bewerbung Wilhelms blieb erfolglos. Noch das Wormser Edikt vom 26. Mai 1521 wurde in Baiern fast nicht beachtet. Der Bericht, den der Landhofmeister Christof von Schwarzenberg über das Auftreten Luther’s auf dem Reichstag an L. erstattete, lautete für den Reformator durchaus nicht ungünstig. Erst nach dem Wormser Tag gelang es Karl, die baierischen Herzoge für sich zu gewinnen, und jetzt erst schloß sich Baiern auch der kirchlichen Politik des Hauses Habsburg an. In L. soll die Lehre Luther’s von der Unfreiheit des Willens den Umschwung zu Gunsten der alten Kirche bewirkt zu haben; jedenfalls gaben aber praktische Rücksichten den Ausschlag. Er drang mit Nachdruck darauf, daß man „das Eisen schmiede, solange es warm sei“, d. h. daß man sich von der Curie als Entgelt für den Schutz des alten Kirchenthums gewisse Hoheitsrechte [515] über den baierischen Clerus auswirke. Rom ließ sich denn auch zu allerlei Concessionen bereit finden und stellte namhafteren Lohn in Aussicht, und nun begann das baierische Cabinet demonstrativ den Kampf gegen die neue Lehre. Am 5. März 1522 erschien das neue Religionsmandat der Herzoge und seither blieb das baierische Cabinet ein Centralpunkt der katholischen Agitation. Aus der Correspondenz der Brüder erhellt übrigens auch, daß L. schon lange vor den Anfängen des Bauernkriegs den Argwohn hegte, daß die aus der neuen Lehre gezogenen Folgerungen dem weltlichen Fürstenthum gefährlich werden könnten, und daß dieses Mißtrauen nicht wenig dazu beitrug, den Rückzug in die alte Kirche zu empfehlen. Das gute Einvernehmen zwischen dem Kaiser und den Herzogen war indessen nicht von langer Dauer. Als sich die Mißstimmung im Reich über die spanische Politik Karls immer allgemeiner verbreitete und französischer Einfluß 1524 das Project der Aufstellung eines römischen Königs aufs Tapet brachte, suchte L. die Wahl auf sich zu lenken und trat deshalb mit dem französischen Hofe in Verbindung. Nur mit Mühe gelang es dem römischen Legaten Campeggio, den Ausbruch offenen Streites zwischen den Rivalen zu verhindern und einen Vertrag zu Stande zu bringen, wodurch sich Oesterreich, Baiern und andere süddeutsche Regierungen zu gemeinsamer Abwehr aller religiösen Neuerungen verbanden. Als aus der kirchlichen Bewegung, wie L. richtig prophezeiht hatte, eine politische hervorwuchs und sich im Schwäbischen die Bauern gegen alle geistliche und weltliche Autorität erhoben, übernahm L. den Oberbefehl gegen die am Lech stehenden Rotten. Er war jedoch weder in den ersten Scharmützeln noch in den Unterhandlungen glücklich. Konnte er sich doch auf die eigenen Leute nicht verlassen, – „sind alle auch Bauern,“ – und ebenso wenig auf den schwäbischen Bund, der von kräftiger Unterstützung des baierischen Herzogs Nichts wissen wollte. Unter solchen Umständen mußte L. am 30. Mai 1525 den Bauern einen glimpflichen Waffenstillstand bewilligen. Dadurch war er selbst in Stand gesetzt, sich zur Befreiung des von seinen Unterthanen belagerten Erzbischofs von Salzburg ostwärts zu wenden, wobei es sich jedoch nicht so fast um Vertheidigung des Legitimitätsprinzips als um Abwehr der Annexionsgelüste Erzherzog Ferdinands handelte. Es war sogar längere Zeit zweifelhaft, ob die von L. geführten Truppen zum Entsatz von Salzburg oder zur Wegnahme der in bairischem Gebiet gelegenen erzbischöflichen Stadt Mühldorf Verwendung finden würden. Als sie endlich gegen Salzburg anrückten, zeigte es sich, daß die Aufständischen wohl verschanzt waren und ein rascher Erfolg keinsfalls zu erwarten stand. Die Mißstimmung des Herzogs spricht sich in einem Schreiben, das er zu Gunsten des wegen Ketzerei eingezogenen Bernhard Tichtel zu Tutzing aus dem Feldlager an den Bruder richtete, deutlich aus: „„Wollt’ viel lieber die Hirsch’ hören schreien, auch auf den Heerd gehen, denn allhie im elenden Wesen sein. Nimm für gut mit der bösen Geschrift, hab’ wahrlich wenig Ruh’, das glaub!“ Auf Frundsberg’s Rath wurde unter Vermittelung des Herzogs ein Vergleich zwischen dem Erzbischof und seinen Unterthanen abgeschlossen. Die Eifersucht und das Mißtrauen der Herzoge gegen Oesterreich erhielten neue Nahrung durch die Erfahrungen, welche das Jahr 1526 brachte. Nach dem Tode König Ludwigs von Böhmen und Ungarn kam eine Deputation des böhmischen Herrenstandes nach Straubing, um Herzog L. zur Bewerbung um die erledigte Krone aufzufordern. Da eine Verbindung Böhmens mit Baiern leicht erreichbar schien, ging L. auf das Projekt ein und schickte seinen vertrauten Rath Hans Weißenfelder im September 1526 nach Prag. Beauftragt, für Erhebung eines der beiden Herzoge nach freier Wahl der Stände zu wirken, mußte er bald die Erfahrung machen, daß ohne „Safran“, d. h. ohne reiche Geldspenden überhaupt nichts auszurichten sei. Auch eine offizielle [516] Deputation baierischer Landstände wurde nach Prag abgeordnet; es läßt sich aber nicht feststellen, ob wirklich noch die ernste Absicht einer Bewerbung vorlag oder, wie eine Bemerkung Ludwigs anzudeuten scheint, blos die Entfernung der „größten Schreier“ vom baierischen Landtage bezweckt war. Die Gesandten erhielten von den böhmischen Ständen die schönsten Versprechungen und glaubten auf günstigen Erfolg für L. rechnen zu dürfen, allein schließlich vereinigte sich doch die Mehrheit der Stimmen auf Erzherzog Ferdinand. Jetzt hielten sich die baierischen Herzoge gegen die Annexionspolitik des habsburgischen Hauses, das sich auch des Herzogthums Württemberg bemächtigt hatte, im eigenen Lande nicht mehr für sicher und suchten für den bevorstehenden Kampf fremde Hülfe zu erlangen. Da religiöse Bedenken von Verbindung mit den norddeutschen Höfen zurückhielten, wurde mit dem ungarischen Gegenkönig, Johann Zapolya, unterhandelt. Ja, Eck hielt nunmehr die Erhebung Wilhelms zum römischen König für erreichbar, und in der That gaben einige Kurfürsten ihre Zustimmung zu erkennen. Allein die habsburgischen Siege über die Franzosen in Italien und über Zapolya durchkreuzten diese Pläne, und die Gegner mußten sich darauf beschränken, die Anerkennung der Königswahl Ferdinands zu versagen. Die Herzoge schlossen am 24. Octbr. 1531 sogar mit den Schmalkaldener Genossen den Vertrag zu Saalfeld und gingen am 26. Mai 1532 zu Scheyern mit Frankreich ein Schutz- und Trutzbündniß ein. Umsonst suchte sie Kaiser Karl mit seinem Bruder auszusöhnen. Die durch Granvella angeknüpften Unterhandlungen wurden zwar fortgesetzt, daneben aber auch die Bemühungen, ein großes Bündniß gegen Ferdinand aufzurichten. Erst nachdem dieser auf Württemberg verzichtet hatte, gelang es dem Kaiser, die Herzoge (durch einen zu Linz am 11. Septbr. 1534 vereinbarten Vertrag) zur Anerkennung der Königswürde Ferdinands zu bewegen. Damit ging der offene Streit zwischen den Häusern Habsburg und Wittelsbach zu Ende, aber auch in den nächsten Jahren wurde angeblich nur zur Nothwehr geheime Verbindung mit Frankreich und den lutherischen Fürsten unterhalten. Als der Conflict zwischen dem Kaiser und dem schmalkaldischen Bunde zur Waffenentscheidung drängte, war L. nicht mehr am Leben. Er war ein prachtliebender und kunstsinniger Fürst. Eine Kammermeisterrechnung vom J. 1539 beweist, wie stattlich er in Landshut Hof hielt; Marstall und Küche, Linnenkeller und Harnaschkammer waren wohl bestellt. 1537 wurde mit dem Bau eines Palastes in der Altstadt zu Landshut an der Stätte des alten Zollhauses begonnen, 1543 war der Bau, der unter den Profanwerken der Renaissance einen ehrenvollen Platz einnimmt, vollendet. Der vordere Theil, von den Augsburger Baumeistern Niklas Ueberreiter und Bernhard Zwitzel ausgeführt, zeichnet sich durch Reinheit der Dispositionen und Verhältnisse aus; in den inneren Räumen und im Hofbau, wo italienische Maler und Bildner thätig waren, entfaltet sich ebenso reiche, wie geschmackvolle Decoration. Auf einigen uns erhaltenen Schaumünzen erscheint L. mit langem Bart und kurzgeschnittenem Haar in pelzverbrämtem, burgundischem Mantel. Ueber der Gruft Ludwigs im Kloster Säldenthal bei Landshut erhebt sich ein stattliches Grabmal.
Ludwig, Herzog von Ober- und Niederbaiern, geb. am 18. Septbr. 1495, † am 22. April 1545. Da- Westenrieder, Beyträge VI, 207 u. 230. – Streber, Andenken an Herzog Ludwig von Bayern, Wilhelms IV. Bruder (1819). – Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522–1526 (1851), S. 316 ff. – Muffat, Correspondenzen und Aktenstücke zur Geschichte der polit. Verhältnisse der Herzoge Wilhelm und Ludwig von B. zu König Johann von Ungarn, in den Quellen zur bayr. und deutschen Geschichte (1857), IV, S. 10. – Vogt, Die bayrische Politik im Bauernkrieg und der Kanzler Leonhard v. Eck (1883).