Helena Demuth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Lenchen Demuth, 1870er Jahre

Helena „Lenchen“ Demuth (* 31. Dezember 1820[1] in St. Wendel, Saarland; † 4. November 1890 in London) war die Haushälterin des Ehepaares Jenny und Karl Marx und Mutter von dessen Sohn Frederick (Freddy).

Helena Demuth war das fünfte von sieben Kindern des Tagelöhners und Bäckers Michel Demuth (1788–1826) und seiner Frau Maria Katharine geborene Creutz (1791–1848). Ihre Eltern hatten am 16. Februar 1808 in St. Wendel geheiratet. Nach dem frühen Tod des Vaters geriet die Familie in Armut, sodass Helena schon als Kind eine Stelle als Dienstmädchen annehmen musste.

Im Jahr 1837 kam sie als solches in das Haus des Regierungsrats Johann Ludwig von Westphalen in Trier. Dessen Ehefrau Caroline wiederum schickte sie 1845 zur Unterstützung ihrer mit Karl Marx verheirateten Tochter Jenny nach Brüssel.[2] Von Mai 1857 bis zu ihrem Tod 1862 arbeitete auch ihre fast fünfzehn Jahre jüngere Halbschwester Anna Maria Creuz, genannt Marianne, im Haushalt der Familie Marx.[3]

Helena Demuth folgte der Familie Marx 1848 nach Paris, 1848/49 nach Köln, 1849 wieder nach Paris und dann 1849 ins endgültige Exil nach London. Sie war nicht nur Köchin, sondern auch eine gute Freundin der Kinder, die sie Nimmy nannten. Gelegentlich spielte sie auch Schach mit Karl Marx, der gegen sie verlor, wie Wilhelm Liebknecht erzählte.[4]

Am 23. Juni 1851 brachte Helena Demuth einen unehelichen Sohn von Karl Marx zur Welt, der den Namen Henry Frederick Demuth erhielt und „Freddy“ genannt wurde. Offiziell gab seine Mutter den Namen des Vaters nicht preis, und dieser wird auch in der Geburtsurkunde nicht genannt.[5] Um Marx’ politischen Gegnern keinen Stoff für eine Skandalgeschichte zu liefern, räumte Friedrich Engels inoffiziell ein, der Vater des Jungen zu sein. Erst auf seinem Sterbebett soll er Eleanor Marx Freddys wahre Herkunft enthüllt haben.[6] Eleanor Marx bezeichnete ihn aber schon zuvor als ihren ‚Halbbruder‘.[7] Karl Marx’ Frau Jenny bemühte sich im Oktober 1851 um eine Amme für Freddy bei der Familie Devalek in Brüssel, die auch ihren Sohn Edgar 1847 versorgt hatte.[8][9] Später wurde er bei der Londoner Handwerkersfamilie Lewis in Pflege gegeben, deren Namen er mit seinem vereinigte. Da es sich nicht mit den Moralvorstellungen der späteren Bolschewiki vertrug, dass Marx „fremdgegangen“ sein sollte, was bereits um die Jahrhundertwende allen sozialistischen Führern bekannt war, wurden alle diesbezüglichen Dokumente auf Befehl von Stalin am 2. Januar 1934[10] als geheim deklariert und der Forschung entzogen.[11] Erst Werner Blumenberg machte 1962 das „Demuth-Geheimnis“ mit der Veröffentlichung eines Briefes der Haushälterin Louise Freyberger allgemein bekannt.[12]

Grabplatte vom Familiengrab der Familie Marx auf dem Highgate Cemetery mit Nennung von Helena Demuth

Nach Marx' Tod im Jahr 1883 zog Helena Demuth zu Engels, dem sie fortan den Haushalt führte. Gemeinsam mit ihm ordnete sie Marx' historischen Nachlass und entdeckte dabei die Manuskripte zum zweiten Band des Kapitals.

Im Oktober 1890 erkrankte Helena Demuth an Krebs und starb am 4. November. In ihrem Testament vom 4. November 1890[13] bedachte sie ihren Sohn Frederick Lewis Demuth als Universalerben mit 95 £ und ihrem persönlichen Besitz. Auf Wunsch von Marx' Töchtern Eleanor und Laura Lafargue wurde sie im Familiengrab der Familie Marx auf dem Highgate Cemetery beigesetzt. Engels hielt eine Trauerrede an ihrem Grab.[14] In einem Brief an den Neffen von Helena Demuth, Adolf Riefer, schrieb Engels: „Die Verstorbene hat ein Testament gemacht, worin sie den Sohn einer verstorbenen Freundin den sie von klein auf sozusagen an Kindesstatt angenommen und der sich allmählig zu einem braven & tüchtigen Mechaniker herausgebildet, Frederick Lewis, zu ihrem alleinigen eingesetzt hat. Derselbe hat seit längerer Zeit aus Dankbarkeit und mit ihrer Einwilligung den Namen Demuth angenommen.“[15]

Eintragung in das Confession book

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Helena Demuth trug sich am 1. März 1868 folgendermaßen ein.[16]

Frage Antwort
Ihre Lieblingstugend (Your favourite virtue) Entschlossenheit (Decision)
… Eigenschaft beim Mann (… quality in man) Mut (courage)
… bei der Frau (… in woman) Gute Laune (Good temper)
Hauptmerkmal (Chief characteristic) Die Liebe zu den kleinen Marxens (Love to the young Marxens)
Auffassung vom Glück (Idea of happiness) Eine Mahlzeit essen, die ich nicht gekocht habe (To eat a dinner I hav'nt created)
… Unglück (… misery) Von anderen abhängig zu sein (To be dependent on others)
Laster, das ich entschuldige (Vice I excuse) Verschwendung (Prodigality)
… verabscheue (… deteste) Egoismus (Egotism)
Was Sie ablehnen (Your aversion) einen Geizhals (a miser)
Die Person, welche ich am wenigsten mag (The character I most dislike Ferdinand Lassalle (Lasalle)
Lieblingsbeschäftigung (Favourite occupation) Luftschlösser bauen (Building castles in the air)
… Held (… Hero) Mein größter Suppentopf (My biggest saucepan)
… Heldin (… Heroine) Meine Kaffeekanne (My coffeepot)
… Dichter (… Poet) Der, von dem ich am wenigsten kenne (The one I know least of)
… Schriftsteller (… Prose writer) Eugène Sue (Eugène Sue)
… Blume (… Flower) Rose (Rose)
… Farbe (… Colour) Blau (Blue)
… Gericht (… Dish) Schwein (Pork)
… Maxime (… Maxim) Leben und leben lassen!

Helen Demuth

March 1st/68

Bronzeplastik Lenchen Demuth von Kurt Tassotti (Standort: alte Stadtmauer in St. Wendel)

Nach ihr wurde die Helene-Demuth-Schule in St. Wendel benannt, eine Förderschule, die allerdings 2011 mit der Buchwaldschule in Mosberg-Richweiler zur Bliestalschule in Oberthal fusionierte. 2012 wurde in St. Wendel in der Balduinstraße zur Erinnerung eine fast lebensgroße Bronze-Statue von Lenchen Demuth (Künstler: Kurt Tassotti) in dem örtlichen Bereich, in dem zu diesem Zeitpunkt noch ihr Elternhaus vermutet wurde, aufgestellt. Das tatsächliche Elternhaus stand aber im „Graben“.

  • Herbert Eulenberg: Helena Demuth. In: Vorwärts. Beilage, (Berlin) 15. Januar 1929.
  • Karl Kautsky: Lenchen Demuth. In: Vorwärts. Beilage, 2. Februar 1929.
  • Heinz Monz: Helena Demuth aus St. Wendel. In: Heimatbuch des Landkreises St. Wendel. 13. Jahrgang, 1969/1970, S. 46–54.
  • Yvonne Kapp: Eleanor Marx. Vol. 1. Family Life (1855–1883). London 1972.
  • Manfred Dammeyer: Guter Geist bei Marx und Engels: Helena Demuth. Lienau & Ruppel, 1978.
  • Gerhard Bungert, Marlene Grund (Hrsg.): Karl Marx, Lenchen Demuth und die Saar. Queißer, Dillingen 1983, ISBN 3-921815-42-8.
  • Ruth Zimmermann: Jenny Marx und ihre Töchter: Frauen im Schatten des Revolutionärs. Herder, Freiburg im Breisgau 1984.
  • Michael Knieriem: Ein unveröffentlichter Brief Friedrich Engels’ zum Tode der Helena Demuth. In: Wuppertaler Rundschau. 8. November 1984.
  • Heinrich Gemkow: Helena Demuth – „eine treue Genossin“. In: Marx-Engels-Jahrbuch 11. Dietz Verlag, Berlin 1989, S. 324–348. (Digitalisat)
  • Heinz Monz: Eine letzte Spur in Saarburgs Partnerstadt Saarebourg. Odyssee eines Briefs über Helena Demuth. In: Jahrbuch des Landkreises Trier-Saarburg. 1989, S. 195–199.
  • Heinrich Gemkow, Rolf Hecker: Unbekannte Dokumente über Marx’ Sohn Frederick Demuth. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Berlin 1994, Heft 4, S. 43–59.
  • Yvonne Kapp: New evidence from old sources. In: The personal and the political. The Journal of the Socialist History Society. Nr. 6, (London) Herbst 1994, ISBN 0-7453-0810-4, S. 17–27.
  • Heinz Monz: Demuth, Helena. In: Trierer Biographisches Lexikon. Gesamtbearbeitung: Heinz Monz. Verlag der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Koblenz 2000, ISBN 3-931014-49-5, S. 78–79.
  • Heinrich Gemkow: Helena Demuth (1820–1890). Ein Leben im Schatten anderer. Vom Kindermädchen in Trier zur Hausdame in London. In: Irina Hundt (Hrsg.): Vom Salon zur Barrikade. Frauen in der Heinezeit. J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar 2002, ISBN 3-476-01842-3, S. 415–424.
  • Manfred Schöncke, Rolf Hecker: Eine Fotografie von Helena Demuth? Zu Engels’ Reise nach Heidelberg 1875. In: Marx-Engels Jahrbuch 2004. Hrsg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam. Akademie Verlag, Berlin 2005, S. 205–218. ((online))
  • Izumi Omura, Shunichi Kubo, Rolf Hecker, Valerij Fomičev (Hrsg.): Karl Marx is my father. The documentation of Frederick Demuth´s parentage. Karl Marx ist mein Vater. Eine Dokumentation zur Herkunft von Frederick Demuth. Far Eastern Booksellers, Tokio 2011, ISBN 978-4-87394-004-5. japanisch, englisch und deutsch
  • Marlene Ambrosi: Helena Demuth. Verlag Michael Weyand, Trier 2018, ISBN 978-3-942429-34-4.
  • Roland Geiger: Lenchen Demuth – aus dem Leben der Haushälterin von Karl Marx. Roland Geiger Historische Forschungen, St. Wendel 2018, ISBN 978-3-939460-25-1.
Commons: Helena Demuth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Die davon abweichende Angabe auf dem Grabstein (JANUARY 1ST 1823) steht im Widerspruch zum Eintrag im Geburtenregister von St. Wendel und wurde bereits von Heinz Monz: Helena Demuth aus St. Wendel. In: Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 13 (1969/70), S. 46–54, S. 53 Anm. 35 f., korrigiert.
  2. Jenny Marx: Kurze Umrisse eines bewegten Lebens. In: Mohr und General. Berlin 1964, S. 206.
  3. Karl Marx an Friedrich Engels 24. Dezember 1862: „Nun aber das größte Pech. Marianne (Lenchens Schwester), die Allen schon vor einem Jahr an Herzkrankheit kuriert, fing am Tage der Abreise meiner Frau an, unwohl zu werden. Dienstag abend, 2 Stunden vor der Ankunft meiner Frau, war sie tot. Ich mit Lenchen zusammen während der sieben Tage die Krankenwartung“. (MEW Band 30, S. 303.)
  4. Wilhelm Liebknecht: Ein stürmischer Schachmatch. In: Mohr und General. Berlin 1964, S. 105–110.
  5. Geburtsurkunde siehe: Karl Marx is my father. S. 83.
  6. Tristram Hunt: Friedrich Engels. Der Mann der den Marxismus erfand, List Taschenbuch, Berlin 2013, S. 270 f.
  7. Eleanor Marx an Laura Lafargue 19. Dezember 1890: „We should none of us like to meet our past, I guess, in flesh and blood.“ (Yvonne Kapp: Eleanor Marx. S. 291)
  8. François Devalek an Jenny Marx, 15. Oktober 1851. (Rolf Hecker, Angelika Limmroth (Hrsg.): Jenny Marx. Die Briefe. Karl Dietz Verlag, Berlin 2014, S. 111–112.)
  9. „Dass es sich bei dem in Pflege zu gebenden Kind um den zehn Wochen alten Frederick Demuth handelte ist zu vermuten […]“ Angelika Limmroth: Jenny Marx. Die Biografie. Karl Dietz Verlag, Berlin 2014, S. 152–153, hier S. 153.
  10. Karl Marx is my father. S. 212.
  11. Heinrich Gemkow, Rolf Hecker: Unbekannte Dokumente über Marx’ Sohn Frederick Demuth. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Berlin 1994, Heft 4, S. 43–59.
  12. Klaus Goch: Eleanor Marx (1855–1898). In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Porträts. Insel, Frankfurt am Main 1988 (= Insel Taschenbuch. Band 979), ISBN 3-458-32679-0, S. 275–348, hier: S. 325 und 345, Anm. 131.
  13. Karl Marx is my father. S. 85 f.
  14. The People's Press. London. vol. 1. Nr. 38 vom 22. November 1890.
  15. Friedrich Engels an Adolf Riefer 12. November 1890. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung III. Briefwechsel. Bd. 30 Friedrich Engels Briefwechsel Oktober 1889 bis November 1890. Bearb. von Gerd Callesen und Svetlana Gavril'čenko. Unter Mitarbeit von Regina Roth und Renate Merkel-Melis †. Akademie Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-05-006024-8, S. 566.
  16. Familie Marx privat. Akademie Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-05-004118-8, Abb. 39 und S. 310–311.