Wissenschaftsrat (Deutschland)
Der Wissenschaftsrat ist ein wissenschaftspolitisches Beratungsgremium in Deutschland. Er wurde am 5. September 1957 gegründet und berät Bund und Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung des Hochschulsystems sowie der staatlichen Förderung von Forschungseinrichtungen. Der Sitz befindet sich in Berlin, die Geschäftsstelle ist in Köln angesiedelt.[1]
Aufgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seine Beratungsfunktion erfüllt der Wissenschaftsrat hauptsächlich durch die Erarbeitung von Empfehlungen, die auch veröffentlicht werden. Diese Empfehlungen können sowohl einzelne wissenschaftliche Institutionen (Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) als auch übergreifende Fragestellungen des Wissenschaftssystems (zum Beispiel Hochschulzugang, Lehrerbildung, Hochschulmedizin) betreffen.
Stellungnahmen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der jüngeren Vergangenheit äußerte sich der Wissenschaftsrat in seinen Stellungnahmen, Empfehlungen und Positionspapieren unter anderem zum:
- zur Friedens- und Konfliktforschung[2][3],
- Hochschulbau[4][5],
- zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access[6][7],
- zur Wissenschaftskommunikation[8][9].
2020 veröffentlichte er zudem ein Positionspapier „Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland“.[10][11]
Daneben hat der Wissenschaftsrat im Laufe der Zeit eine Reihe von Einzelaufgaben übernommen:
- Evaluation von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, insbesondere der Leibniz-Gemeinschaft sowie der sog. Ressortforschung
- Institutionelle Akkreditierung von privaten und kirchlichen Hochschulen (seit 2001)
- Durchführung der Exzellenzinitiative bzw. Exzellenzstrategie (seit 2005, gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft)
- Beratung des Bundes und der Länder zur Struktur der Forschungsförderung
Name | Jahr | |
---|---|---|
von | bis | |
Helmut Coing | 1958 | 1961 |
Ludwig Raiser | 1961 | 1965 |
Hans Leussink | 1965 | 1969 |
Reimar Lüst | 1969 | 1972 |
Theodor Heidhues | 1972 | 1976 |
Wilhelm A. Kewenig | 1976 | 1979 |
Andreas Heldrich | 1979 | 1982 |
Hans-Jürgen Engell | 1982 | 1985 |
Heinz Heckhausen | 1985 | 1987 |
Kurt Kochsiek | 1987 | 1989 |
Dieter Simon | 1989 | 1993[12] |
Gerhard Neuweiler | 1993 | 1994 |
Karl-Heinz Hoffmann | 1994 | 1996 |
Dagmar Schipanski | 1996 | 1998 |
Winfried Schulze | 1998 | 2001 |
Karl Max Einhäupl | 2001 | 2006 |
Peter Strohschneider | 2006 | 2011 |
Wolfgang Marquardt | 2011 | 2014[13] |
Manfred Prenzel | 2014 | 2017 |
Martina Brockmeier | 2017 | 2020[14] |
Dorothea Wagner | 2020 | 2023 |
Wolfgang Wick | 2023[15] |
Trägerschaft und Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Träger des Gremiums sind die Regierungen des Bundes und der Länder. Die Vollversammlung des Wissenschaftsrats besteht aus zwei gleichberechtigten Kommissionen:
- Die Wissenschaftliche Kommission besteht aus 24 Wissenschaftlern und 8 Repräsentanten des öffentlichen Lebens. Sie werden vom Bundespräsidenten berufen. Die 24 Wissenschaftler werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, der Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam vorgeschlagen. Die 8 Repräsentanten des öffentlichen Lebens werden von Bundes- und Landesregierungen gemeinsam vorgeschlagen.[16]
- Die Verwaltungskommission besteht aus je einem entsandten Vertreter der sechzehn Länder und sechs Vertretern des Bundes, wobei letztere jedoch 16 Stimmen besitzen, so dass auch die Verwaltungskommission auf 32 Stimmen kommt. Vollversammlungen des Wissenschaftsrats finden vierteljährlich statt und müssen ihre Beschlüsse mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen.
Die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats ist in Köln. Dort betreuen etwa 100 Mitarbeiter – davon 50 Wissenschaftler – die Arbeit des Wissenschaftsrats in seinen Gremien und Ausschüssen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats wird jeweils für ein Jahr bestimmt und vertritt den Wissenschaftsrat nach außen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Deutsche Forschungsgemeinschaft
- Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, Leibniz-Gemeinschaft
- Hochschulrektorenkonferenz, Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
- Liste der Beratungsgremien der Bundesregierung
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Olaf Bartz: Der Wissenschaftsrat. Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1957–2007. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-515-09074-2.
- Olaf Bartz: Wissenschaftsrat und Hochschulplanung. Leitbildwandel und Planungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1957 und 1975, Diss., Köln 2005. (als elektronische Ressource verfügbar)
- Rolf Berger: Zur Stellung des Wissenschaftsrats bei der wissenschaftspolitischen Beratung von Bund und Ländern. Nomos-Verlag, Baden-Baden 1974, ISBN 3-7890-0109-0.
- Friedhelm Neidhardt: Institution, Organisation, Interaktion: Funktionsbedingungen des Wissenschaftsrats, In: Leviathan – Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft. 40(2), 2012, S. 271–296.
- Hans Christian Röhl: Der Wissenschaftsrat. Kooperation zwischen Wissenschaft, Bund und Ländern und ihre rechtlichen Determinanten, Nomos, Baden-Baden 1994, ISBN 3-7890-3480-0.
- Andreas Stucke: Der Wissenschaftsrat. In: Svenja Falk, Dieter Rehfeld, Andrea Römmele, Martin Thunert (Hrsg.): Handbuch Politikberatung. VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-14250-0, S. 248–254.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur zum Wissenschaftsrat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wissenschaftsrat
- Veröffentlichungen des Wissenschaftsrats
- Mitglieder der Wissenschaftlichen Kommission und der Verwaltungskommission
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Geschäftsordnung des Wissenschaftsrates in der vom Wissenschaftsrat am 20. Januar 2017 verabschiedeten Fassung. (PDF) Wissenschaftsrat, 20. Januar 2017, S. 2, abgerufen am 24. Februar 2021 (§ 5).
- ↑ Wissenschaftsrat: Bund soll Friedens- und Konfliktforschung finanziell stärken. zwd Politikmagazin, 15. Juli 2019, abgerufen am 24. Januar 2021.
- ↑ Die Friedens- und Konfliktforschung stärken. gruene-fraktion-nrw.de, 8. November 2019, abgerufen am 24. Januar 2021.
- ↑ Probleme und Perspektiven des Hochschulbaus 2030 (PDF; 1 MB), Januar 2022, abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ Amory Burchard: Marode Unigebäude und moderne Lehre: Sanierungsstau von 60 Milliarden Euro beim Hochschulbau. In: tagesspiegel.de. 24. Januar 2022, abgerufen am 31. Januar 2024. , abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access auf der wissenschaftsrat.de (PDF; 1 MB), Januar 2022, abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ https://open-access.network/services/news/artikel/wissenschaftsrat-fordert-open-access-als-standard, abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ Wissenschaftskommunikation (PDF; 928 KB), abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ https://www.jmwiarda.de/2021/11/08/bitte-schaut-%C3%BCber-den-eigenen-tellerrand-hinaus/, abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland (PDF; 818 KB), abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑ Wissenschaftsrat: Zehn Herausforderungen für krisenfeste Forschung. In: aerzteblatt.de. 29. Januar 2021, abgerufen am 18. Februar 2024.
- ↑ Zeitzeugen der Wendezeit, Prof. Dr. Dieter Simon (*1935) Rechtswissenschaftler. weltwissen-berlin.de, archiviert vom am 20. Januar 2021; abgerufen am 23. Januar 2021.
- ↑ CV Wolfgang Marquardt. (PDF) Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. Januar 2021. (PDF)
- ↑ Wagner ist neue Vorsitzende des Wissenschaftsrats. Politik & Kommunikation, 7. Februar 2020, abgerufen am 23. Januar 2021.
- ↑ Wolfgang Wick neuer Vorsitzender des Wissenschaftsrats – Ergebnisse der WR-Wintersitzungen (25.–27. Januar 2023). In: Wissenschaftsrat (Deutschland). 30. Januar 2023, abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ z. B. Hans-Heinrich Trute: Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung: das Wissenschaftsrecht als Recht kooperativer Verwaltungsvorgänge. Tübingen 1994, S. 704