Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Klassifikation nach ICD-10
F13 Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika
F13.0 Akute Intoxikation [akuter Rausch]
F13.1 Schädlicher Gebrauch
F13.2 Abhängigkeitssyndrom
F13.3 Entzugssyndrom
F13.4 Entzugssyndrom mit Delir
F13.5 Psychotische Störung
F13.6 Amnestisches Syndrom
F13.7 Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
F13.8 Sonstige psychische und Verhaltensstörungen
F13.9 Nicht näher bezeichnete psychische und Verhaltensstörung
{{{12-BEZEICHNUNG}}}
{{{13-BEZEICHNUNG}}}
{{{14-BEZEICHNUNG}}}
{{{15-BEZEICHNUNG}}}
{{{16-BEZEICHNUNG}}}
{{{17-BEZEICHNUNG}}}
{{{18-BEZEICHNUNG}}}
{{{19-BEZEICHNUNG}}}
{{{20-BEZEICHNUNG}}}
Vorlage:Infobox ICD/Wartung {{{21BEZEICHNUNG}}}
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika sind eine Gruppe von Abhängigkeitserkrankungen aufgrund wiederholter Einnahme von Sedativa oder Hypnotika.

Ursachen und Hintergründe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schlafstörungen sind meist die Ursache für die Verordnung von Hypnotika, bei Sedativa ist eine Beruhigung tagsüber das Ziel.[1][2] Missbrauch von illegal beschafften, rezeptpflichtigen Medikamenten wird in Deutschland bislang überwiegend bei Konsumenten illegaler Rauschdrogen beobachtet.[1] Insgesamt ist davon auszugehen, dass auch bei Aufnahme in eine stationäre Behandlung Missbrauch oder Abhängigkeit von Medikamenten oft hinter der einweisungsveranlassenden gesundheitlichen Krise verborgen bleibt und nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt wird.[1] Ein Abhängigkeitssyndrom ist durch ein Vorhandensein mindestens dreier der folgenden Punkte definiert:

  • Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren.
  • Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums.
  • Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, nachgewiesen durch substanzspezifische Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.
  • Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosierungen erforderlich.
  • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
  • Anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z. B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Es sollte dabei festgestellt werden, dass der Konsument sich tatsächlich über Art und Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren war oder dass zumindest davon auszugehen ist.[3] Der regelmäßige Gebrauch von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten schafft viele Probleme.[4] Der Konsum von Hypnotika und Sedativa führt auf die Dauer zur Abhängigkeit.[5] Mit dem Gedanken, man brauche das Mittel, nehmen Patienten eine derartige Droge also weiter ein – statt mit der Vorstellung, möglicherweise davon abhängig zu sein.[6] Schlaf- und Beruhigungsmittel wirken lediglich gegen die Symptome, nicht gegen die Ursachen der Beschwerden.[6]

Schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen (vor Einführung der ICD-10: Missbrauch von Benzodiazepinen) wird jener Konsum von angstlösend und sedierend wirkenden polyzyklischen organischen Verbindungen bezeichnet, der zu einer physischen oder psychischen Gesundheitsschädigung führt.

Bei Benzodiazepinen kann sich schon bei therapeutischen Dosierungen (also bestimmungsgemäßer Einnahme) nach relativ kurzer Zeit eine schwere körperliche Abhängigkeit entwickeln. Diese ist durch keine Dosissteigerung gekennzeichnet, sodass sich die Abhängigkeitskriterien der WHO nur bedingt anwenden lassen.

Die Bundesärztekammer wies schon 2007 im Leitfaden „Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit“ darauf hin, dass bei kontinuierlicher Einnahme auch bei niedriger Dosis die Gefahr einer Abhängigkeit besteht.[7] Diese Form der Abhängigkeit wird auch „low dose dependency“ genannt.

Als mögliche Gesundheitsschädigungen gelten:

Die allgemeinen Richtlinien zum therapeutischen Einsatz der Benzodiazepine lauteten 2008, dass diese Medikamente in einer klaren Indikationsstellung (also eindeutig begründet), in der niedrigstmöglichen Dosierung über den kürzestmöglichen Zeitraum und insgesamt nicht länger als wenige Wochen gegeben werden sollten.[8]

Es wird geschätzt, dass es bundesweit etwa 1,5 Millionen Benzodiazepin-Abhängige gibt, wovon zwei Drittel Frauen im höheren Alter sind (Stand 2016).[9]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Karin Mohn, unter Mitarbeit von Cornelia Plenter: Möglichkeiten und Defizite in der Erreichbarkeit ausgewählter Zielgruppen (sozial benachteiligte Frauen und ältere Menschen) durch Maßnahmen und Materialien zur Reduzierung von Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit. (PDF) Bewertung anhand aktueller Forschungsergebnisse und Beispielen aus der Praxis. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2007, abgerufen am 26. September 2019.
  2. Karin Mohn: Frauen - Medikamente - Selbsthilfe, Hrsg.: Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Essen 2005, ISBN 3-86509-255-1.
  3. Schlaf- und Beruhigungsmittel am Arbeitsplatz. (PDF) Informationen und Hilfen für betriebliche Multiplikatoren. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2007, abgerufen am 26. September 2019.
  4. Stephanie C. Licata, James K. Rowlett: Abuse and dependence liability of benzodiazepine-type drugs: GABAA receptor modulation and beyond. In: Pharmacology Biochemistry and Behavior. Band 90, Nr. 1, Juli 2008, S. 74–89, doi:10.1016/j.pbb.2008.01.001.
  5. Medikamenten-Abhängigkeit. (PDF) Suchtmedizinische Reihe Band 5. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2013, abgerufen am 26. September 2019.
  6. a b Medikamente. (PDF) Basisinformationen. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2004, abgerufen am 26. September 2019.
  7. www.bundesaerztekammer.de (2007): Medikamente mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial (PDF; 509 kB)
  8. Mathias Berger (Hrsg.): Psychische Erkrankungen – Klinik und Therapie. 3. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, 2008, ISBN 978-3-437-22481-2.
  9. Christiane Berg: Nur kurz ein Segen. In: PTA Forum. Nr. 11/2016, 2016, ISSN 2364-2149 (pharmazeutische-zeitung.de): „Glaeske betonte: »Benzodiazepin-Abhängigkeit ist weiblich.«“