Liraglutid

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Liraglutid
Liraglutid
Strukturformel
Andere Namen
  • γ-L-Glutamoyl(N-α-hexadecanoyl)-Lys26, Arg34-GLP-1(7–37)
  • N26-(Hexadecanoyl-gamma-glutamyl)-[34-arginine]GLP-1-(7-37)-peptide (WHO)
  • NN 2211
Masse/Länge Primärstruktur 31 Aminosäuren, 3751 Da
Bezeichner
Externe IDs
Arzneistoffangaben
ATC-Code A10BJ02
DrugBank
Wirkstoffklasse Antidiabetikum

Sicherheitshinweise
EG-Nummer

810-818-7

ECHA-InfoCard

100.241.015

GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Achtung

H- und P-Sätze H: 351​‐​361
P: 201​‐​202​‐​280​‐​308+313 [1]

Liraglutid ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Inkretinmimetika, der als Medikament gegen Typ-2-Diabetes und zur Gewichtsreduktion bei Adipositas zugelassen ist.

Liraglutid wird bei Typ-2-Diabetes als Mittel nachrangiger Wahl zusätzlich zu Diät und körperlicher Aktivität angewendet in der Monotherapie, wenn Metformin nicht vertragen wird oder in Kombination mit diversen anderen Antidiabetika und Insulin bei nicht ausreichender Wirkung.[2]

Das Medikament wird in einem Fertigpen verkauft und einmal täglich vom Patienten selbst unter die Haut (subkutan) gespritzt. Die empfohlene Dosis beträgt 1,2 oder 1,8 mg.[3] Liraglutid muss mit einer Anfangsdosis von 0,6 mg über mindestens eine Woche eingeschlichen werden. Zum Einsatz bei Typ-2-Diabetes wird es in Deutschland von den Krankenkassen übernommen.

In der Anwendung zur Unterstützung der Gewichtsabnahme soll es nach mehrwöchiger Einschleichung in einer Dosis von 3,0 mg täglich gespritzt werden. Angezeigt ist Liraglutid bei einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, bei Bestehen von Begleiterkrankungen schon bei einem BMI ab 27. Zum Zweck der Gewichtsreduktion wird es jedoch nicht von den Krankenkassen übernommen. Der Patient muss die Kosten selbst tragen, sie betragen in der EU bei 3 mg täglich ungefähr 290 € pro Monat (Stand 2019). Bei Einsatz gegen Übergewicht wird empfohlen, die Behandlung abzubrechen, wenn ein erwachsener Patient nach 12 Wochen nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verloren hat.[4] Für die Behandlung von Kindern ab 12 Jahren gilt es die Therapie abzubrechen, wenn der Patient nach 12 Wochen seinen BMI nicht um vier Prozentpunkte verringern konnte.[5][4]

Schematische Darstellung der Strukturen von Semaglutid und Liraglutid, im Vergleich zu GLP-1(7-37)

Liraglutid ist ein verzweigtkettiges Peptid mit der Summenformel C172H265N43O51. Es ist ein gentechnisch hergestelltes Analogon des Inkretins GLP-1. Die Sequenzhomologie liegt bei 97 %. Lys 34 wurde durch Arg ersetzt und an Lys 26 wurde über einen Glu-Spacer eine C16-Fettsäure angehängt. Durch diese Modifikationen konnte die Halbwertszeit von GLP-1 (2 Minuten) auf 13 Stunden stark verlängert werden. Die Fettsäure wurde deshalb verwendet, weil sie an Albumin bindet, was die Verweildauer im Plasma erhöht.[3]

Es wirkt als GLP-1-Rezeptoragonist durch den s.g. Inkretin-Effekt antidiabetisch, indem es die Insulinfreisetzung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse erhöht und die Glukagonfreisetzung aus den Alphazellen erniedrigt und damit die Glukoseabgabe der Leber verringert.[6] Zudem erhöht es die Insulinsensitivität der Körperzellen, verzögert die Magenentleerung und damit die Geschwindigkeit, mit der Glukose ins Blut gelangen kann. Es sendet verstärkte Sättigungsmeldungen in das Gehirn, die den Hunger reduzieren. Da es erst bei erhöhtem Glukosespiegel seine volle Wirkung entfaltet, sind Unterzuckerungen bei Liraglutid seltener als bei einigen anderen Antidiabetika.

Häufige Nebenwirkungen sind Unterzuckerung[7], als Monotherapie in der Zulassungsstudie ausschließlich leicht, häufiger, dann auch schwer, in Kombination mit Insulin oder Sulfonylharnstoff-Präparaten.[8] Übelkeit, Durchfall,[3] Schwindel, Bauchschmerzen[7] und Schmerzen an der Injektionsstelle. Sehr selten treten schwerwiegende Nebenwirkungen auf, dies können medulläres Schilddrüsenkarzinom, Angioödem, Pankreatitis, Erkrankungen der Gallenblase und Nierenprobleme sein. Die Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht erforscht und wird daher nicht empfohlen. Da es die Magenentleerung leicht verzögert, kann es die Absorption gleichzeitig verabreichter Arzneimittel beeinflussen.

Der Wirkstoff ist unter dem Namen Victoza als Medikament gegen Typ-2-Diabetes und unter dem Namen Saxenda zur Gewichtsreduktion erhältlich. Unter dem Namen Xultophy ist international ein Kombinationsmedikament aus Liraglutid und Insulin zugelassen. Der Hersteller nahm es 2016 in Deutschland wieder vom Markt, nachdem mit den Krankenkassen keine Einigung über den Erstattungsbetrag erzielt werden konnte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte im Rahmen der frühen Nutzenbewertung Xultophy keinen Zusatznutzen beschieden.[9] Der Hersteller von Liraglutid ist der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk.

Zulassung und Vermarktung

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Liraglutid wurde 2009 in Europa[10] und 2010 in den USA[11] für die Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen. Im Jahr 2017 war es unter den am häufigsten verschriebene Medikament in den USA auf Platz 195 mit mehr als 3 Millionen Verordnungen.[12] Es gilt inzwischen weltweit als eines der wirkungsvollsten und risikoärmsten Medikamente zur Reduktion von Übergewicht und Adipositas.

Einzelnachweise

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  1. a b Liraglutide. (PDF; 0,2 MB) CaymanChem; abgerufen am 3. Dezember 2019.
  2. Lotte Bjerre Knudsen, Jesper Lau: The Discovery and Development of Liraglutide and Semaglutide. 12. April 2019; PMID 31031702.
  3. a b c Ulrich Schwabe, Dieter Paffrath: Arzneiverordnungs-Report 2010 Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-642-13380-0, S. 79 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. a b Saxenda - Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. (PDF) Europäische Arzneimittelagentur, 29. Juni 2022.
  5. Felix Reschke, Kerstin Kapitzke,Jantje Weiskorn, Laura Galuschka, Daniela Meister, Evelin Sadeghian, Cathrin Guntermann, Kisa von Stülpnagel, Chantal Weiner, Thomas Danne: Telehealth als Therapieoption in der juvenilen Adipositasprävention. 30. November 2022, PMC 9713089 (freier Volltext).
  6. W.Forth, D.Henschler, W.Rummel: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 11. Auflage. Elsevir. Urban & Fischer, München 2013, ISBN 978-3-437-42523-3, S. 602.
  7. a b Wolfgang Piper: Innere Medizin. Springer-Verlag, 2012, ISBN 978-3-642-33108-4, S. 970 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels – Victoza. (PDF) ema.europa.eu, Fachinformation; abgerufen am 3. Januar 2023.
  9. Xultophy® geht von der Bühne. deutsche-apotheker-zeitung.de, 28. Juli 2016.
  10. Eintrag EU/1/09/529 im EU-Register für Humanarzneimittel. Europäische Kommission. Abgerufen am 3. Januar 2023.
  11. NDA 022341. fda.gov; abgerufen am 3. Januar 2023.
  12. The Top 300 of 2017. clincalc.com; abgerufen am 3. Januar 2023.