KZ Lichtenburg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Koordinaten: 51° 39′ 45″ N, 12° 55′ 55″ O

Karte: Deutschland
marker
KZ Lichtenburg

Das Konzentrationslager Lichtenburg – auch Sammellager Lichtenburg[1] – befand sich von Juni 1933 bis Mai 1939 in dem Schloss Lichtenburg aus dem 16. Jahrhundert in Prettin (Provinz Sachsen). Das Gebäude wurde ab 1812 als Zuchthaus genutzt und war 1928 wegen mangelhafter baulicher und sanitärer Zustände geschlossen worden.

Häftlingspost Poststempel: Prettin (Kr. Torgau), 8. November 1933

Das Lager Lichtenburg hatte im NS-Staat als eines der ersten Konzentrationslager eine Vorbildfunktion für das Lagersystem im Deutschen Reich. Am 13. Juni 1933 wurde es als „Konzentrationslager für männliche Schutzhäftlinge“ eingerichtet. Für 1000 Häftlinge geplant, war das KZ Lichtenburg bereits im September 1933 mit ca. 2000 Häftlingen stark überbelegt, dadurch verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Häftlinge extrem. Mindestens 20 (dokumentiert) Häftlinge sind in der Zeit des Lagerbestehens durch Misshandlungen, schlechte Haftbedingungen und Morde im Strafbunker umgekommen.

Wolfgang Langhoff, ehemaliger Häftling, der am 6. Dezember 1933 eintraf, traf im KZ Lichtenburg ungefähr 70 Prozent Kommunisten, 20 Prozent Sozialisten und 10 Prozent politisch unorganisierte Häftlinge an. Ab 1934 wurden zunehmend als homosexuell verfolgte Männer in die „Lichte“ gebracht und später auch sogenannte Berufsverbrecher, die als Vorbestrafte ohne Gerichtsverfahren eingewiesen wurden. Zunächst oblag die Bewachung des Lagers der Polizei. Ab Mitte August bewachten 150 SS-Männer das Lager, Lagerkommandant war SS-Truppführer Edgar Entsberger[2] von der SS-Standarte 26. Ab dem 1. Juni 1934 galt die Dachauer Lagerordnung.

Nach dem sogenannten Röhm-Putsch wurden im Juli 1934 etwa 60 SA-Männer kurzzeitig in das KZ Lichtenburg eingewiesen.[3] Besonders ab 1935 wurden Zeugen Jehovas verhaftet, insgesamt waren etwa 130 von ihnen im Männerlager Lichtenburg.[4] Nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze im September 1935 inhaftierte die SS jüdische Frauen, denen „Rassenschande“ zur Last gelegt wurde.

Am 1. November 1936 wurde Hans Helwig probeweise mit der Wahrnehmung der Geschäfte des KZ-Kommandanten beauftragt; der Inspekteur der Konzentrationslager Theodor Eicke hatte es noch im August 1936 abgelehnt, Helwig in einem KZ zu beschäftigen. Hier überließ Helwig die Lagerführung seinem als brutal und willkürlich geltenden Schutzhaftlagerführer Egon Zill.[5] Nach Auflösung des Männerlagers Lichtenburg wurde Helwig Lagerkommandant im KZ Sachsenhausen. Unter den Häftlingen dort hatte Helwig den Spitznamen „Gänsegeneral“.[6]

1937–1939 Umwandlung in ein Frauenkonzentrationslager

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Häftlingspost an die Familie, 5. August 1937

Nach der Errichtung der KZ Sachsenhausen und Buchenwald wurde das Männer-KZ im August 1937 aufgelöst und die Burg ab Dezember 1937 übergangsweise für weibliche Häftlinge genutzt. Am 15. Dezember trafen die ersten 200 weiblichen Häftlinge aus dem Frauen-Konzentrationslager Moringen ein. Bis 1939 sind 1.415 Häftlingsnummern belegt. Das Frauenlager unterstand der SS-Inspektion der Konzentrationslager (IKL der SS). Die Lagerkommandantur übernahm SS-Standartenführer Günther Tamaschke. Als Lagerführer amtierten Alex Piorkowski und ab September 1938 SS-Hauptsturmführer Max Koegel, der aus dem KZ Dachau kam.

Da das Schloss eine marode Bausubstanz hatte und als nicht erweiterungsfähig galt, wurden im Mai 1939 die verbliebenen 867 weiblichen Häftlinge in das neugebaute Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück verlegt.

Häftlingsgruppen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den politischen Häftlingen, die zum Teil schon seit 1933 inhaftiert waren, wurden seit 1935 verstärkt die „Bibelforscherinnen“ genannten Zeuginnen Jehovas, zurückkehrende Emigrantinnen, wegen „Rassenschande“ verfolgte jüdische Frauen, „Zigeunerinnen“ sowie sogenannte Asoziale und Kriminelle ins KZ verschleppt.

Nutzung nach 1939

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Schließung des KZ Lichtenburg fungierte das Schloss als Standort für das Totenkopf-Infanterie-Ersatzbataillon II und ab 1942 das SS-Hauptzeugamt. Bis zu 65 Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen, die im Zellenbereich untergebracht waren, standen der SS zur Zwangsarbeit zur Verfügung.

Nach 1945; Einrichtung einer Gedenkstätte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kundgebung der VVN im ehemaligen Konzentrationslager und Zuchthaus (1949)

Nach 1945 wurden das Schloss und die angrenzenden Ländereien bis 1990 landwirtschaftlich genutzt. Im Bunker des ehemaligen KZ wurde 1965 eine Mahn- und Gedenkstätte eingerichtet, die 1974 erweitert wurde.

1995 musste die Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis e. V. um den Erhalt der Gedenkstätte ringen. Im Spätsommer 2000 sollte die Lichtenburg als Eigentum des Bundes durch die Oberfinanzdirektion Magdeburg verkauft werden. Unter dem Motto „KZ zu verkaufen“ brachen im In- und Ausland Proteste los. An den Bundestag wurden Anfragen gestellt. Im November 2004 drohte der Gedenkstätte erneut die Schließung. Erst nach Protest erklärte sich die sachsen-anhaltische Landesregierung zur Kostenbeteiligung bereit. Langjährige Verhandlungen über die Zukunft und die Trägerschaft der Gedenkstätte KZ Lichtenburg zwischen dem Landkreis Wittenberg, der Landesregierung in Sachsen-Anhalt und der Bundesregierung führten 2006 zu dem Entschluss, in Sachsen-Anhalt eine Gedenkstättenstiftung[7] einzurichten.

Diese existiert seit dem 1. Januar 2007. Seit Anfang 2008 gehört die Gedenkstätte KZ Lichtenburg zu dieser Stiftung. Zwischen 2008 und 2011 wurde der ehemalige Werkstattflügel zu einem modernen Besucherinformationszentrum umgebaut. Die neue Dauerausstellung wurde mit Eröffnung der neuen Gedenkstätte am 1. Dezember 2011 der Öffentlichkeit präsentiert. Der Arbeitskreis "Schloss und Gedenkstaette Lichtenburg e. V." hat sich mit Erreichen seiner Vereinsziele zum 1. Januar 2012 aufgelöst. Die Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin wird durch den seit 2010 bestehenden Förderverein "Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V." unterstützt.

Lagerkommandanten im Männerkonzentrationslager

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schutzhaftlagerführer im Männerkonzentrationslager

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Arthur Liebehenschel war von 1934 bis Juli 1937 Adjutant im KZ Lichtenburg. 1940 stand er im Dienstrang eines Stabsführers und Vertreters des Inspekteurs der Konzentrationslager.

Weitere wichtige Mitglieder der Wachmannschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

welche später Lagerkommandanten wurden oder Führunspositionen in anderen KZ's einnahmen:[8]

Lagerdirektor im Frauenkonzentrationslager

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stellvertretende Lagerdirektoren

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Dezember 1937 – August 1938 Alexander Piorkowski
  • September 1938 – Mai 1939 Max Koegel

Lageraufseherinnen wurden als SS-Gefolge bezeichnet, ohne Mitglieder der SS zu sein. Von Dezember 1937 bis Februar 1939 war Margarete Stollberg und danach bis Mai 1939 Johanna Langefeld Oberaufseherin. Im Oktober 1938 wurde Maria Mandl als Aufseherin im Konzentrationslagers Lichtenburg eingestellt. Sie arbeitete dort mit etwa fünfzig anderen Frauen, die wie Mandl dem SS-Gefolge angehörten. Im Mai 1939 wurde sie mit den anderen Wärterinnen in das neu eröffnete KZ Ravensbrück bei Fürstenberg/Havel übernommen. Nachdem Mandl durch Misshandlung von Lagerinsassinnen auffiel, wurde sie zur Oberaufseherin befördert. Im KZ überwachte sie den täglichen Ablauf und den Einsatz der ihr unterstellten Aufseherinnen. Unter ihnen waren die weiblichen KZ-Gefangenen Schlägen und Auspeitschungen ausgesetzt. Im Oktober 1942 wurde Mandl ins KZ Auschwitz-Birkenau versetzt, wo sie SS-Lagerführerin wurde.[9]

Bekannte Häftlinge

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Eine Entlassungsverfügung von 1933
  • Gedenkstätte KZ Lichtenburg – Literatur von und über ehemalige Häftlinge[10]
  • Klaus Drobisch: Konzentrationslager im Schloss Lichtenburg. Kommission zur Erforschung der Geschichte der Örtlichen Arbeiterbewegung der Bezirksleitung Cottbus der SED, Cottbus 1987. (und: Kreisverwaltung, Wittenberg 1997)
  • Klaus Drobisch, Günther Wieland: System der NS-Konzentrationslager 1933–1939. Akademie Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-000823-7.
  • Hans Hesse, Jürgen Harder: „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ Die Zeuginnen Jehovas in den Frauenkonzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück. Klartext, Essen 2001, ISBN 3-88474-935-8.
  • Stefanie Endlich: Lichtenburg – Vergangenheit und Zukunft: Renaissanceschloss, Konzentrationslager, Gedenkstätte. In: Gedenkstättenrundbrief 111. Jg. 2003.
  • Stefan Hördler, Sigrid Jacobeit (Hrsg.): Dokumentations- und Gedenkort KZ Lichtenburg – Konzeption einer neuen Dauerausstellung für Werkstattgebäude und Bunker. Lit-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-643-10038-2.
  • Werner Dietrich: Konzentrationslager Lichtenburg. Medien Profis Leipzig, Prettin 2002. (Lichtenburger Hefte 2)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Gedenkstätte KZ Lichtenburg (Memento vom 25. Januar 2016 im Internet Archive)
  2. lichtenburg.org: Der Komplex Lichtenburg als KZ und SS-Standort in der NS-Zeit – 1933 bis 1945 (Memento vom 20. November 2012 im Internet Archive), Zugriff am 11. Mai 2010.
  3. Stefan Hördler, Sigrid Jacobeit (Hrsg.): Dokumentations- und Gedenkort KZ Lichtenburg. Berlin 2009, S. 94.
  4. Stefan Hördler, Sigrid Jacobeit (Hrsg.): Dokumentations- und Gedenkort KZ Lichtenburg: Konzeption einer neuen Dauerausstellung für Werkstattgebäude und Bunker. LIT Verlag, Münster 2009. S. 98.
  5. Tuchel, Konzentrationslager, S. 172.
  6. Chronik Sachsenhausen im Anhang zu: Rudolf Wunderlich, Joachim S. Hohmann: Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg 1939 bis 1944, Aufzeichnungen des KZ-Häftlings Rudolf Wunderlich. Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-631-32212-7, S. 103 f.
  7. Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt (Memento vom 25. Januar 2016 im Internet Archive)
  8. Harald Stutte: Geheime Fotos aus dem KZ Lichtenburg: Wie SS-Führer zu Massenmördern wurden. 8. September 2024, abgerufen am 10. Oktober 2024.
  9. Stefan Hördler, Sigrid Jacobeit (Hrsg.): Dokumentations- und Gedenkort KZ Lichtenburg, Berlin 2009, S. 125f.
  10. Literaturempfehlungen (Memento vom 25. Januar 2016 im Internet Archive)