Barbara Honigmann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Barbara Honigmann
Barbara Honigmann 2022

Barbara Honigmann (* 12. Februar 1949 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin.

Barbara Honigmann ist Tochter jüdischer Eltern, welche die Zeit des Nationalsozialismus als Emigranten im britischen Exil überlebt hatten und 1947 nach Berlin zurückkehrten, um den Aufbau eines neuen Deutschlands zu unterstützen. Honigmanns Vater Georg Honigmann entschied sich aufgrund seiner kommunistischen Überzeugung zur Remigration in die sowjetische Besatzungszone. Im englischen Exil hatte er Barbara Honigmanns Mutter, die aus Wien stammende Alice Kohlmann (bekannt unter dem Namen Litzi Friedmann), geheiratet, die zuvor mit dem Doppelagenten Kim Philby verheiratet gewesen war.[1] In dritter Ehe war ihr Vater von 1956 bis 1965 mit der DDR-Schauspielerin und -Sängerin Gisela May verheiratet, mit der Barbara Honigmann lebenslang verbunden blieb.[2]

Nach dem Abitur studierte Honigmann von 1967 bis 1972 Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität. Anschließend war sie als Dramaturgin und Regisseurin in Brandenburg und an der Volksbühne sowie am Deutschen Theater in Ost-Berlin tätig. Seit 1975 ist sie freie Schriftstellerin.

Nach der Geburt des ersten Kindes setzte sie sich verstärkt mit ihrer jüdischen Identität auseinander, trat in die jüdische Gemeinde Ost-Berlins ein und heiratete 1981 nach jüdischem Ritus. 1984 reiste sie aus der DDR aus. Im ersten Buch, Roman von einem Kinde, ist die Rede von einem „dreifachen Todessprung ohne Netz: vom Osten in den Westen, von Deutschland nach Frankreich, und aus der Assimilation mitten in das Thora-Judentum hinein“.

Honigmann zählt wie Maxim Biller, Rafael Seligmann, Esther Dischereit, Irina Liebmann, Robert Schindel und Peter Stephan Jungk zur deutsch schreibenden Holocaust-Nachfolgegeneration. Ihre Bücher wurden ins Französische, Italienische[3], Englische, Ungarische[4], Norwegische, Niederländische, Portugiesische, Dänische und Finnische übersetzt. Sie ist zudem als bildende Künstlerin tätig und zeigte ihre Bilder in mehreren Ausstellungen.[5]

Barbara Honigmann, die Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland sowie korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz[6] und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist, lebt mit ihrem Mann, dem ehemaligen Leiter des Heidelberger Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Peter Honigmann,[7] in Straßburg. Sie hat zwei Kinder, Johannes Honigmann (* 1976) und Ruben Honigmann (* 1983).

Irina Wittmer, Jurymitglied des 2012 an Barbara Honigmann verliehenen Elisabeth-Langgässer-Literaturpreises, betonte: „Honigmann bringt den Menschen das Judentum auf eine warmherzige Weise näher und holt es aus dem Verborgenen heraus. Sie zeigt, dass die Macht des Bösen nicht alles zerstören konnte.“ Zudem sah sie eine Parallele zur Lebens- und Familiengeschichte von Elisabeth Langgässer, die ebenfalls von den „Irrationalitäten und dem Wahn des 20. Jahrhunderts geprägt“ wurde.[8] Jurymitglied Thomas Koch lobte den wiederkehrenden Bezug auf die Biografie und bezeichnete Honigmanns Sprache als „schnörkellose, entschlackte, aber dennoch sehr poetische Prosa“.[9]

Anlässlich des am 18. Mai 2022 überreichten Jean-Paul-Preises für ihr Lebenswerk nannte der bayerische Kunstminister Markus Blume sie eine „Erinnernde, die in ihren Werken mit feinsinnigem Humor und wenn nötig, offen und direkt, Erlebnisse aus ihrer eigenen deutsch-jüdischen Biografie literarisch verarbeitet. Sie vermittelt so mit viel Einfühlungsvermögen und historischer Sensibilität ein differenziertes Bild jüdischer Identität in Deutschland und Europa. Ihre Bücher sind gleichermaßen Literatur und Geschichtsschreibung und bilden in ihrer Gesamtheit betrachtet eine eigene Chronik des 20. Jahrhunderts.“[10]

Barbara Honigmann hat dem Deutschen Literaturarchiv einen großen Teil ihres literarischen Werks und privater Briefwechsel als sogenannten Vorlass übergeben.[11]

Hörspiel · Theaterstück

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Das singende springende Löweneckerchen. Berlin 1979, Urauff. Bühnen der Stadt Zwickau, 23. November 1980, Regie: Klaus Thewes. Wiederabdruck: Marion Victor (Hrsg.): Spielplatz, 3. Verlag der Autoren, Frankfurt 1990, ISBN 3-88661-107-8, S. 125–160 (auch als Schallplatte).
  • Der Schneider von Ulm. Henschel, Berlin 1981, Erstsendung am 1. April 1982, SR; Uraufführung Theater am Turm. Regie: Wolf Vogel. Frankfurt am Main, 22. März 1984.
  • Don Juan. Regie: Wolf Vogel. Uraufführung Theater am Turm, Frankfurt am Main, 22. März 1984.
  • In Memory of Mutti. Regie: Leonhard Koppelmann. Uraufführung. Südwestrundfunk 2009.

Essay · Poetik · Rede

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Eine „ganz kleine Literatur“ des Anvertrauens. In: Sinn und Form. 2000, Heft 6, S. 830–844 (Poetikvorlesung an der Universität Tübingen am 12. Mai 2000; wieder in: B. H. 2006; über Glückel von Hameln, Anne Frank, Rahel Varnhagen).
  • Das Gesicht wiederfinden. Über Schreiben, Schriftsteller und Judentum (= Edition Akzente). Essays. Hanser, München 2006, ISBN 3-446-20681-7.[22][23]
  • Blick übers Tal. Zu Fotos von Arnold Zwahlen. Essay. Edition Spycher im Verlag von Urs Engeler, Basel/Weil am Rhein 2007, ISBN 978-3-938767-38-2.
  • Das Schiefe, das Ungraziöse, das Unmögliche, das Unstimmige. Rede zur Verleihung des Kleist-Preises. In: Sinn und Form. Heft 1, Berlin 2001, S. 31–40.[24]
  • Das Gesicht wiederfinden. Rede anlässlich der Verleihung des Jeanette-Schocken-Preises. In: die horen. Heft 2/2001, S. 233–236.[25]

Übertragungen ins Deutsche

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Lew Ustinow: Die Holzeisenbahn (russisch Derewjannaja doroga). Theaterstück für Kinder. Mit Nelly Drechsler. Henschel Verlag, Berlin 1979.
  • Anna Achmatowa: Vor den Fenstern Frost. Mit Fritz Mierau. Friedenauer Presse, Berlin 1988.
  • Barbara Honigmann. Bilder und Texte. Darunter: Selbstporträt als Jüdin. Michael Hasenclever Galerie, München 1992.
  • Barbara Honigmann. Dreizehn Bilder und ein Tag. Michael Hasenclever Galerie, München 1997.
  • Barbara Honigmann. Von Namen und Sammlungen. Michael Hasenclever Galerie, München 2002.
Verleihung des Jean-Paul-Preises 2022
Verleihung des Jean-Paul-Preises 2021 durch den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume am 18. Mai 2022
  • Marcel Reich-Ranicki: B. H.s Skizzen und Etüden. In: Marcel Reich-Ranicki: Über Ruhestörer. Juden in der deutschen Literatur. 2. Auflage. dtv, München 1993, ISBN 3-421-06491-1, S. 191–196.
  • Karen Remmler: En-gendering Bodies of Memory. Tracing the Genealogy of Identity in the Work of Dischereit, B. H. and Dische. In: Reemerging Jewish Culture in Germany. Life and Literatur since 1989. Hrsg. v. S. L. Gilman & K. R. University Press, New York 1994, ISBN 0-8147-3062-0, ISBN 0-8147-3065-5, S. 184–209.
  • Guy Stern: B. H. In: Literarische Kultur im Exil. Collected Essays on the German-speaking Emigration After 1933 (1989–1997). University Press, Dresden 1998, ISBN 3-931828-05-0, S. 245–251.
  • Anat Feinberg: Abinding in a Haunted Land. The Issue of "Heimat" in Contemporary German Jewish Writings. In: New German Critique. 70. Ausgabe. University of Wisconsin, Milwaukee 1997, ISSN 0094-033X, S. 161–181.
  • Helene Schruff: Wechselwirkungen. Deutsch-jüdische Identität in erzählender Prosa der ‚Zweiten Generation‘ (= HASKALA. Wissenschaftliche Abhandlungen. Band 20). Olms, Hildesheim 2000, ISBN 3-487-11031-8.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Sibylle Birrer: Weltgeschichte nebenher. Ein Buch der Erinnerungen von Barbara Honigmann. Rezension des biografischen Romans über die Mutter: Ein Kapitel aus meinem Leben. In: Neue Zürcher Zeitung. 25. September 2004 (lyrikwelt.de (Memento vom 10. Februar 2007 im Internet Archive) [abgerufen am 26. Februar 2020]).
  2. Barbara Honigmann, Georg, Carl Hanser Verlag, München 2019, ISBN 978-3-446-26008-5.
  3. Con tanto, tanto affetto. Ins Italienische übertragen von A. Luise. Marsilio, Venezia 2002.
  4. Zohara utazása. ISBN 963-9348-90-2.
  5. Die Schriftstellerin und Malerin Barbara Honigmann im Gespräch mit Werner Witt. In: SWR2. 29. September 2015, archiviert vom Original am 17. November 2019; abgerufen am 17. November 2019.
  6. Mitgliedseintrag von Barbara Honigmann bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, abgerufen am 11. November 2017.
  7. Zentralarchiv Heidelberg.
  8. Andreas Riechert: Schnörkelloser Stil. In: Allgemeine Zeitung. 26. Oktober 2011.
  9. Andreas Riechert: Entschlackte Poesie. In: Wiesbadener Tagblatt. 26. Oktober 2011 (wiesbadener-tagblatt.de (Memento vom 6. Januar 2013 im Webarchiv archive.today) [abgerufen am 26. Februar 2020]).
  10. Pressemitteilungen: Kunstminister Markus Blume zeichnet die Schriftstellerin Barbara Honigmann mit dem Jean-Paul-Preis aus, bayern.de, 19. Mai 2022.
  11. Barbara Honigmann übergibt Vorlass, Jüdische Allgemeine, 26. Januar 2023.
  12. Französisch: Le roman d’un enfant. Übers. Françoise Doussin, Nicole Costantino, Charles Fichter. Strasbourg 1999 (zuerst als Hörspiel, Erstsendung SR 2. Dezember 1984).
  13. Franz.: Un amour fait de rien. Übers. Christian Richard. Paris 2001.
  14. Franz.: Le dimanche le rabbin joue au foot. Übers. Raphaëlle Dedourge, Paris 2001.
  15. Franz.: Les îles du passé. Übers. Colette Strauss-Hiva. Nîmes 1999.
  16. Franz.: Très affectueusement. Übers. Christian Richard. Paris 2001.
  17. Franz.: L’agent recruteur. Übers. Colette Strauss-Hiva. Paris 2008.
  18. https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/barbara-honigmann-ein-kapitel-aus-meinem-leben-9783446205314-t-707
  19. Matthias Kußmann: Eine fast fiktive Stadterinnerung. Rezension. In: Deutschlandfunk. 2. Oktober 2008.
  20. Jörg Magenau: Eine gescheiterte Liebe. Rezension. In: Deutschlandradio Kultur. 27. Juli 2011, abgerufen am 26. Februar 2020.
  21. https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/barbara-honigmann-georg-9783446260085-t-2685
  22. U. a. über Albert Cohen, Bertha Pappenheim und Jeanette Schocken; weitere siehe B. H., 2000 und 2001.
  23. Ruth Klüger: Jüdin sein, deutsch schreiben. Rezension. In: Die Welt. 23. Dezember 2006, abgerufen am 26. Februar 2020.
  24. Wieder in: B. H., 2006.
  25. Wieder in: B. H., 2006.
  26. Menschenbilder. „Ein Kapitel aus meinem Leben“ – Barbara Honigmann. Gestaltung: Heinz Janisch. In: ORF.at. 18. Oktober 2015.
  27. Barbara Honigmann erhält Ricarda-Huch-Preis (Memento vom 20. Oktober 2015 im Webarchiv archive.today). In: rbb Kulturradio. 19. Juni 2015.
  28. N. N.: Ein Hoch auf die Lyrik. In: Fürther Nachrichten. 4. Juni 2018 (Druckausgabe).
  29. Barbara Honigmann, Diese schwierige Freiheit. Dankrede zum Jakob-Wassermann-Preis 2018. In: Sinn und Form 3/2019, S. 417–421
  30. Jean-Paul-Preis 2021 geht an Barbara Honigmann für ihr Lebenswerk, bayern.de, 25. April 2021.
  31. Laudatio zur Preisverleihung am 18. Mai 2022 in Schloss Nymphenburg, München: Wolfgang Matz, "Schreiben heißt ja wiederfinden". Über Barbara Honigmann. In: Sinn und Form 2/2023, S. 263–269
  32. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Mai 2023, S. 12.
  33. Chronistin ihrer Zeit und Dichterin der Freiheit: Barbara Honigmann wird mit Friedrich-Schiller-Preis ausgezeichnet. In: Der Spiegel. 29. Juni 2024, abgerufen am 29. Juni 2024.
  34. Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R: Barbara Honigmann erhält Jehuda-Amichai-Literaturpreis. 20. September 2024, abgerufen am 23. September 2024.
  35. Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit. Abgerufen am 23. September 2024.