Paul Nizon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Paul Nizon 1969 in Zürich

Paul Nizon (* 19. Dezember 1929 in Bern) ist ein Schweizer Kunsthistoriker und Schriftsteller.

Nizons Vater Max Nizon war ein Jude aus dem weissrussischen Wizebsk, der nach seiner Emigration in die Schweiz als Chemiker und Erfinder arbeitete. Vor der Geburt seines Sohnes konvertierte er zum evangelischen Glauben. Er starb 1942 an Multipler Sklerose.[1] Nizons Mutter stammte aus Bern. Nach der Matura studierte er Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Germanistik an den Universitäten in Bern und München. 1957 wurde er mit einer Arbeit über Vincent van Gogh (Der frühe Zeichnungsstil. Untersuchung über die künstlerische Form und ihre Beziehung zur Psychologie und Weltanschauung des Künstlers) zum Dr. phil. promoviert. Anschliessend war er bis 1959 als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Museum in Bern beschäftigt. 1960 hielt er sich als Stipendiat am Istituto Svizzero in Rom auf. Er hat dort Max Frisch kennengelernt, und es begann eine längere Freundschaft.[2] 1961 war er leitender Kunstkritiker der Neuen Zürcher Zeitung. Er gab den prestigeträchtigen Posten für ein unsicheres Leben in der Literatur auf. Der dazugehörige Entscheidungsprozess findet sich literarisch gespiegelt in Untertauchen. Protokoll einer Reise (1972).[3] Sein Werk ist «eine autobiografische Endlosschleife … durch Romane und Journale».[4]

Seit 1962 ist Nizon, der in München und in Berlin lebte und seit 1977 in Paris, als freier Schriftsteller tätig.[5][4] 1962 war er Gast der Gruppe 47 in Berlin. Dort lernte er Autoren wie Günter Grass, Martin Walser und Ingeborg Bachmann kennen und las aus seinem zweiten Buch, Canto, das 1963 erschien.[6] Er hatte verschiedene Gastdozenturen inne, etwa 1984 an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und 1987 an der Washington University in St. Louis.

Paul Nizon war dreimal verheiratet: ab 1953 mit Brigitte Kaessler, ab 1973 mit Marianne Wydler und von 1980 bis 2003 mit Marie-Odile Roquet.[7][8] Insgesamt hat er vier Kinder.[9]

Paul Nizon gehört seit 1971 dem Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz und seit 1980 dem Deutschschweizer P.E.N.-Zentrum an. Seit 2011 ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Nizons Archiv befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.

Auszeichnungen und Ehrungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalausgaben

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Bildteppiche und Antependien im Historischen Museum Bern (mit Michael Stettler). Bern 1959.
  • Die gleitenden Plätze. Scherz, Bern und Stuttgart 1959.
  • Die Anfänge Vincent van Goghs, der Zeichnungsstil der holländischen Zeit. Diss. Bern 1960.
  • Canto. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1963.
  • Lebensfreude in Bildern großer Meister. Mondo, Lausanne 1969.
  • Diskurs in der Enge. Aufsätze zur Schweizer Kunst. Kandelaber, Bern 1970.
  • Friedrich Kuhn. Hungerkünstler und Palmenhändler. Verlag «Um die Ecke», Zürich 1970.
  • Im Hause enden die Geschichten. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3-518-03746-3.
  • Swiss made. Portraits, Hommages, Curricula. Benziger, Zürich/Köln 1971.
  • Untertauchen. Protokoll einer Reise. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-518-03747-1.
  • Stolz. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-03748-X.
    • aktuelle Ausgabe: Suhrkamp (BS 617), 4. Auflage, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-01617-2.
  • Das Jahr der Liebe. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-03744-7.
  • Aber wo ist das Leben. Ein Lesebuch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-04519-9.
  • Am Schreiben gehen. Frankfurter Vorlesungen. Suhrkamp (edition suhrkamp 1328), Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-11328-3.
  • Im Bauch des Wals. Caprichos. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-40159-9.
  • Über den Tag und durch die Jahre. Essays, Nachrichten, Depeschen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-40389-3.
  • Das Auge des Kuriers. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-40605-1.
  • Die Innenseite des Mantels. Journal 1980–1989. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-40716-3.
  • Hund. Beichte am Mittag. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-40997-2.
  • Taubenfraß. Suhrkamp (st 3063), Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39563-7.
  • Die Erstausgaben der Gefühle. Journal 1961–1972. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-41360-0.
  • Abschied von Europa. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-41397-X.
  • Das Drehbuch der Liebe. Journal 1973–1979. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-41639-1.
  • Das Fell der Forelle. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-41711-8.
  • Die Republik Nizon. Eine Biographie in Gesprächen. Geführt von Philippe Derivière. Edition Selene, Wien 2005, ISBN 3-85266-268-0.
  • Die Zettel des Kuriers. Journal 1990–1999. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-41972-4.
  • Goya. Essay. Insel Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-458-19340-1.
  • Urkundenfälschung. Journal 2000–2010.[10] Suhrkamp, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-518-42260-1.
  • Die Belagerung der Welt. Romanjahre. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-518-42386-8.
  • Parisiana. Matthes & Seitz, Berlin 2015, ISBN 978-3-95757-001-7.
  • Der Nagel im Kopf. Journal 2011–2020. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Wend Kässens. Suhrkamp, Berlin 2021, ISBN 978-3-518-42961-7.[11]
  • Gesammelte Werke. 7 Bände. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-41083-0.
    • Band 1: Canto
    • Band 2: Im Hause enden die Geschichten
    • Band 3: Untertauchen
    • Band 4: Stolz
    • Band 5: Das Jahr der Liebe
    • Band 6: Im Bauch des Wals
    • Band 7: Hund
  • Romane, Erzählungen, Journale. Suhrkamp (Quarto), Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-42124-6.
  • Die Belagerung der Welt – Romanjahre. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-518-42386-8.
  • Pino Dietiker, Konrad Tobler (Hrsg.): Sehblitz – Almanach der modernen Kunst. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-518-46833-3.

Herausgeberschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Benita Cantieni: Schweizer Schriftsteller persönlich. Huber, Frauenfeld 1983, ISBN 3-7193-0883-9, S. 29–46.
  • Alfred Estermann (Hrsg.): Paul Nizon. Frankfurt am Main 1984 (= Begleitheft zur Ausstellung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main), ISBN 3-88131-035-5.
  • Martin Kilchmann (Hrsg.): Paul Nizon. Suhrkamp (st 2058), Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-38558-5.
  • Heinz-Norbert Jocks: Im Gespräch: Paul Nizon. Eine Visite beim Schweizer Schriftsteller. In: Der Alltag. Nr. 3/87, Zürich 1987, S. 6–11.
  • Heinz-Norbert Jocks: Fieber nach Wörtern. Von den Vergiftungen der Liebe und des Schreibens: Gespräch mit Paul Nizon. In: Rheinischer Merkur. Christ und Welt, Literatur. 14. Juli 1989, S. 21.
  • Heinz L. Arnold (Hrsg.): Paul Nizon. Edition Text + Kritik (Band 110), München 1991, ISBN 3-88377-382-4.
  • Philippe Derivière: Paul Nizon – Das Leben am Werk. Ein Essay. Suhrkamp (edition suhrkamp 2258), Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-12258-4.
  • Doris Krockauer: Paul Nizon. Auf der Jagd nach dem eigenen Ich. Fink, München 2003, ISBN 3-7705-3896-X.
  • Stefan Gmünder (Hrsg.): Die Republik Nizon. Eine Biographie in Gesprächen (geführt mit Philippe Derivière). Edition Selene, Wien 2005, ISBN 3-85266-268-0. Neuausgabe: Haymon, Wien 2017, ISBN 978-3-7099-7277-9.
  • Renatus Deckert: Gespräch mit Paul Nizon. In: Sinn und Form. Nr. 3, 2006, S. 314–326.
  • Heinz-Norbert Jocks: Gärten des Glücks. Von Aufbruch, Frühlingsverheißung und vom Aufschwung der Seele. Ein Gespräch mit Paul Nizon. In: Lettre International. Nr. 88, 2010, S. 108–112.
  • Heinz-Norbert Jocks: Von der Existenzlust. Ein Gespräch mit Paul Nizon. In: Kunstforum International. Bd. 253, 2018, S. 322–328.
  • Ulrich Weber (Hrsg.): Paul Nizon. In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs. Nr. 47. Slatkine, Genf 2019, ISSN 1023-6341.
  • Heinz-Norbert Jocks: Ich lebte in einer Schreibsprache. In: Welt am Sonntag. Nr. 2, 8. Januar 2023.
  • Heinz-Norbert Jocks: Schöpferischer Pessimist. Erinnerungen an ein Leben ohne Herkunft im Lärm der Welt. Ein Gespräch mit Paul Nizon. In: Lettre International. Nr. 140, 2023, S. 103–108

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Julian Schütt: Paul Nizon: «Ich bin nur ein halber Schweizer». In: St. Galler Tagblatt. 24. Dezember 2021, abgerufen am 12. Juni 2024.
  2. Ich und Max Frisch: Eine kritische Absonderung. Freitag 12. Mai 2011, Literatur, S. 17.
  3. Dirk Naguschewski: Paul Nizon. In: internationales literaturfestival berlin. Archiviert vom Original am 4. Januar 2005; abgerufen am 27. Januar 2009.
  4. a b Hilmar Klute: Der Fremde. Der Schweizer Paul Nizon lebt seit vierzig Jahren in Paris und wird dort als einer der wenigen deutschsprachigen Schriftsteller geschätzt und gelesen. In: Süddeutsche Zeitung. 30. Oktober 2017, S. 3.
  5. Paul Nizon: Partisan und Strolch! Wie ich die Schweiz verliess, in Paris meine Lebensschule fand – und was Bern bedeutet. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. November 2015, S. 51.
  6. Wend Kässens: Paul Nizon. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
  7. Elio Pellin: Paul Nizon. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  8. Sven Michaelsen: Sie hatten ihm die Hände um den Hals gelegt und zugedrückt. In: SZ-Magazin. 12/2012 (Interview mit Paul Nizon).
  9. Rico Bandle: «Mein Bedürfnis nach Erotik war unstillbar». In: Weltwoche. 28. Juli 2016, S. 78 ff. (Interview).
  10. Martin Ebel: Wo bleibt der Weltruhm? In: Tages-Anzeiger. 17. Februar 2012. @1@2Vorlage:Toter Link/www.tagesanzeiger.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im August 2024. Suche in Webarchiven)
  11. Hilmar Klute: Paul Nizons Journale 2011–2020. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 22. Dezember 2021.