Heinrich G. Noren

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Heinrich G. Noren (* 5. Jänner 1861 in Graz; † 6. Juni 1928 in Kreuth-Oberhof), eigentlich Heinrich Suso Johannes Gottlieb, war ein österreichischer Komponist, Violinist und Musikpädagoge.

Heinrich Suso Johannes Gottlieb verwendete als Komponist den Künstlernamen „Noren“, der am 12. November 1916 von der k. k. Steiermärkischen Statthalterei auch als offizieller Familienname eingetragen wurde.[1] Für die Behauptung Nicolas Slonimskys in Baker’s Biographical Dictionary of Musicians, der Komponist habe den Namen von seiner Ehefrau übernommen, liegen laut Norbert Florian Schuck keine Belege vor.[2] Tatsächlich verwendete er ihn bereits lange Zeit vor seiner um 1912/13 geschehenen Eheschließung mit der norwegischen Sängerin Signe Giertsen, die sich anschließend ebenfalls „Noren“ nannte.[2] Die endgültige Form des Namens „Heinrich G. Noren“ findet sich auf seinen Werken seit der 1903 veröffentlichten Suite op. 16. Zuvor tauchen auf den Notendrucken auch die Formen „Heinrich Gottlieb-Noren“ (op. 12) und „H. Gottlieb Noren“ (op. 15) auf.[3]

Heinrich Gottlieb war der Sohn des Chemikers Johann Gottlieb, der als Professor am Grazer Joanneum unterrichtete, und dessen Gattin Gertrude geb. Mathe.[1] Frühzeitig durch sein musikalisches Talent aufgefallen, erhielt er ersten Musikunterricht in seiner Heimatstadt und widmete sich zunächst seiner Ausbildung auf der Violine. 1878 wurde er in Brüssel Schüler von Henri Vieuxtemps. 1883 setzte er seine Studien in Paris bei Lambert Massart fort. Anschließend wirkte er als Konzertmeister verschiedener Orchester in Belgien, Spanien, Russland und Deutschland. Komposition studierte er in Berlin bei Ludwig Bussler und Friedrich Gernsheim, Kontrapunkt bei Otto Klauwell in Köln.

1896 gründete er in Krefeld ein Konservatorium, das bis 1942 bestand.[4] 1902 gehörte er zum Direktorium des neugegründeten Konservatoriums in Düsseldorf.[5] Im selben Jahr wechselte er ans Stern’sche Konservatorium in Berlin, wo er bis 1907 lehrte. Von 1907 bis 1911 lebte er in Loschwitz bei Dresden und unterrichtete Komposition am Dresdner Konservatorium. Anschließend ging er wieder nach Berlin. 1915 übersiedelte er nach Rottach-Egern, schließlich nach Kreuth-Oberhof, wo er bis zu seinem Tode 1928 lebte.

1915 gehörte Noren zum Gründungsvorstand der Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (GEMA).

Kompositionsstil

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Im Lexikon Die Musik in Geschichte und Gegenwart beschrieb Waltraute Kramer den Stil des Komponisten wie folgt: „Norens Kompositionen zeigen Klarheit in Form und Aufbau sowie eine geschmeidige, der Spätromantik verpflichtete Melodik. Die geschickte Instrumentation verrät den routinierten Orchestermusiker. Seine Violinkompositionen weisen Noren als Geiger von hohem technischen Können aus.“[1]

Norens Werke weisen starke Einflüsse slawischer Musik auf.[2]

Noren war zunächst vor allem als Violinist und Pädagoge bekannt, bevor er 1907 durch die Uraufführung seiner Orchestervariationen Kaleidoskop auf der Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Dresden schlagartig als Komponist berühmt wurde. Für einen Skandal sorgten zwei als Reverenz „an einen berühmten Zeitgenossen“ in das Werk eingearbeitete Zitate aus Richard Strauss’ Tondichtung Ein Heldenleben, die Noren eine Klage des Verlags F. E. C. Leuckart wegen Urheberrechtsverletzung einbrachten. Der Rechtsstreit wurde 1908 zu Gunsten Norens entschieden. In den folgenden Jahren wurden Norens Werke von zahlreichen Orchestern in Europa und den Vereinigten Staaten aufgeführt. Zu den Dirigenten, die sich für ihn einsetzten, zählten Ernst von Schuch, Arthur Nikisch, Karl Muck, Felix Weingartner und Frederick Stock. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ das Interesse an der Musik Norens rasch nach.

Nachdrucke mehrerer Kompositionen Norens wurden ab 2016 von Musikproduktion Jürgen Höflich herausgebracht. In den Vorworten dieser Edition charakterisiert Christoph Schlüren Norens Kompositionsstil: „Zunächst Brahmsianer, war Noren auf der Höhe des Erfolgs an die Seite des von ihm verehrten Richard Strauss gerückt, und in der natürlichen Virtuosität seiner Schreibweise wie auch der kapriziösen Musikanterie steht er Seite an Seite mit Strauss und Reznicek – es ist höchste Zeit, dass man ihn hundert Jahre nach dem allmählichen Sinken seines Sterns wiederentdeckt.“[6]

Norens Kompositionen bildeten 2024 einen Schwerpunkt im Programm der Richard-Strauss-Tage Garmisch-Partenkirchen. Unter der Leitung von Rémy Ballot brachte die Pilsener Philharmonie Norens Kaleidoskop gemeinsam mit Strauss’ Heldenleben zur Aufführung.[2]

Werke (Auswahl)

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  • Aria religiosa op. 9 (veröffentlicht 1913)
  • Elegische Gesangs-Scene für Violoncello mit Begleitung des Orchesters op. 10 (1904)
  • Kaleidoskop, Variationen und Doppelfuge über ein eigenes Thema für großes Orchester op. 30 (1907)
  • Vita, Sinfonie für modernes Orchester h-Moll op. 36 (1910)
  • Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 38 (1912)
  • Deux Morceaux (Légende, Danse Slave) op. 39 (1912)
  • Divertimento für 2 Soloviolinen und Orchester op. 42 (1913)
  • Sinfonische Serenade op. 48 (1915)
  • Albumblatt für Violine und Klavier op. 8 (1896)
  • Berceuse für Violoncello und Klavier op. 12 (1900)
  • Suite für Violine und Klavier e-Moll op. 16 (1903)
  • Pastorale Skizzen für Harmonium, Violine und Violoncello op. 26 (1905)
  • Trio für Klavier, Violine und Violoncello op. 28 (1906)
  • Sonate für Violine und Klavier a-Moll op. 33 (1909)
  • Notturno e Capriccio für Violine und Klavier op. 43 (1913)
  • Sonate für Violoncello und Klavier op. 47 (1914)

Einzelnachweise

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  1. a b c Waltraute Kramer: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Hrsg.: Friedrich Blume. 1. Auflage. Band 9. Bärenreiter-Verlag, Kassel / Basel / London / New York 1961, S. 1570.
  2. a b c d Norbert Florian Schuck: Richard-Strauss-Tage 2024: Heinrich Gottlieb Norens Auferstehung. In: The New Listener. 28. Juni 2024, abgerufen am 30. Juni 2024.
  3. Christoph Schlüren: Heinrich Gottlieb Noren – Vita, Symphonie h-Moll für modernes Orchester op. 36 (1909–10). Musikproduktion Jürgen Höflich, München 2022.
  4. Ernst Klusen, Hermann Stoffels, Theo Zart: Das Musikleben der Stadt Krefeld 1780–1945. Band 2. A. Volk, Köln 1980, S. 59.
  5. Ernst Klusen, Hermann Stoffels, Theo Zart: Das Musikleben der Stadt Krefeld 1780–1945. Band 2. A. Volk, Köln 1980, S. 61.
  6. Christoph Schlüren: Heinrich Gottlieb Noren – Vita, Symphonie h-Moll für modernes Orchester op. 36 (1909–10). Musikproduktion Jürgen Höflich, München 2022.